Wer acht Monate lang mit einer/m Partner*in zusammenlebt, welche/r eine schwere Depression hat und eine Gefährdung für das eigene Leben darstellt, dessen Nerven liegen blank. Egal wie viel Geduld und Selbstsicherheit ein Mensch hat, irgendwann ist bei einem kontinuierlichen Klopfen auch die letzte Tür aufgebrochen und es kommt unweigerlich zu Reibereien. Die Dauer macht einem mürbe, wie man so schön sagt.
Auch meine eigene Beziehung hat unter meiner Krankheit gelitten und meinen Mann selbst schwer zugesetzt. Niemals würde er mir das zum Vorwurf machen, jetzt wo ich etwas stabiler bin, wünscht er sich nur auch wieder eine Stütze zu seiner Seite. Denn er kam in den letzten Jahren, mindestens aber in den letzten acht Monaten, seelisch in unserer Beziehung zu kurz. Er nahm Rücksicht auf mich und fing mich so gut er konnte auf.
Mit zunehmender Dauer wurde die Kraft, die er dafür aufbringen konnte geringer und sein Nervenkostüm dünner. Leider unterschätzt das moderne Gesundheitssystem die Last, die auf die Angehörigen bei einer psychischen Krankheit unweigerlich lastet.
Mein Fels in der Brandung
Obwohl mein Mann selbst auch mit seinen Problemen zu kämpfen hat, war er in den letzten Jahren derjenige, der mich in diesem Leben festhielt und zu einem besseren Menschen machte.
Wenn meine Nerven sich quer stellten und die Depression mit ihren schwarzen Krallen an der Tür kratzte, baute er mich auf oder schaffte es mich lange genug abzulenken um selbst wieder aus dem Loch zu kommen.
Er verstand es wie kein zweiter mich aus meinen Wutanfällen herauszuholen, was jedoch nicht hieß, dass nicht auch wir unsere Streits hatten. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass zu einer guten Beziehung eine gesunde Konfliktkultur gehört.
Und egal wie heftig wir uns stritten, keiner von uns verlor den Respekt für das gegenüber. Die ersten Risse in unseren Nervenkostümen bemerkte ich in dem Moment, an dem ich im Streit wenig Respekt ihm gegenüber verspürte.
Keine Nerven mehr übrig
Es war nur ein kleiner Moment, aber er war da. Und seitdem sind unsere Streitereien zu einem echten Problem geworden. Und wie soll das allgemeine Klima besser werden, wenn nun einmal die Nerven aufgebraucht sind.
Wir haben uns dann hingesetzt und versucht es zu klären. Haben erkannt wo unsere Schwächen sind, wo unsere Unzufriedenheit herkommt und versuchen nun wieder harmonischer miteinander umzugehen. Wir sprechen über die Dinge die uns stören und stellen häufig genug fest, dass es sich um Missverständnisse handelt.
Ich denke, wir haben in der Zeit, als meine Depression zu stark war, angefangen uns emotional zu distanzieren. Und das obwohl die Liebe nach wie vor heftig da ist: Dann haben wir uns zu den anderen gerettet und viel mit anderen Menschen gemacht. Nahezu unsere gesamte Freizeit haben wir gemeinsam, aber mit anderen Menschen verbracht.
Jetzt nehmen wir uns wieder mehr Zeit für einander und trotzdem oder gerade deswegen kommt es immer noch zu Streitereien, denn die Nerven sind nicht auf wundersame Weise wieder da. Angehörige von Menschen mit Depressionen haben so viel zu stemmen, dass sie eigentlich einen Urlaub und eine lange Phase voll Harmonie und Liebe brauchen um wieder normal mit ihrem Depressionsbetroffenen umzugehen und ihre Nerven wieder zu heilen.
Bis zum Mond und zurück
Mein Mann ist für mich mein Held. Und dieses Gefühl endet auch nicht mit unseren Streits. Ich liebe ihn, bis zum Mond und zurück. Jetzt – wo ich immer noch krank, aber zumindest stabil bin – ist es an der Zeit für ihn da zu sein und ihm bei der Regeneration seiner Nerven zu heilen.
Natürlich gelingt mir das nicht immer, häufig habe ich sogar das Gefühl, dass es nahezu katastrophal läuft. Nichtdestotrotz versuche ich für ich ihn da zu sein und ihm die Gefühle zu vermitteln, die ich lange nicht sauber ausdrücken konnte.
„Ich liebe dich bis zum Mond und zurück.
Du bist das größte Glück in meinem Leben.
Ich habe mich von dir entfernt und du fehlst mir.„
Ich wünsche mir, dass wir die Schwierigkeiten des Lebens gemeinsam bestehen können und zu dem alten chaos- und krisenfesten Pärchen werden, welches wir seit einem Jahrzehnt waren. Und natürlich wünsche ich mir wieder eine romantische und tiefgründige Beziehung zu führen.
Rücksicht nehmen
Mit blanken Nerven fällt es beiden Seiten zunehmend schwerer Rücksicht auf die Gefühle der anderen zu nehmen, gerade einem Menschen mit Depressionen fällt es schwer Rücksicht nicht mit Selbstmitleid und Schuldüberlastung zu verwechseln. Daher wird von Angehörigen erwartet, dass sie den Mental Load ihres Partners mittragen und nur selten erhalten sie dafür Anerkennung oder Unterstützung. Und auch der Erkrankte fordert dieses Maß an Nervenleistung nur allzu oft ein.
Ein häufig unterschätztes Problem ist übrigens, dass viele Depressionsbetroffene eine verminderte Libido haben oder einfach nur nicht von anderen Menschen berührt werden sollen. Auch wenn das Thema Sexualität häufig kleingeredet wird, es ist ein wichtiger Bestandteil des Menschen. Hier sind beide Partner gefragt – ohne den anderen unter Druck zu setzen – darübe reden.
Den geeigneten Zeitpunkt abzupassen und über wünsche und Bedürfnisse zu reden. Aber auch den anderen zu vermitteln, dass man keine Ultimaten stellen möchte. Denn wer in Sachen Sexualität in der Beziehung dem Partner ein Ultimatum stellt („Schlaf einmal die Woche mit mir, sonst verlasse ich dich!“) der hat nicht nur seinen Wert als Partner in einer Beziehung verspielt, sondern auch bewiesen, dass er sich für den anderen nicht zurücknehmen möchte.
Wobei der schmale Grat zwischen Bedürfnis und Forderung hier beachtet werden sollte, ein „Ich würde gerne regelmäßig mit dir schauen, ob du gerade in Stimmung bist ohne das du böse wirst. Und ich möchte auch sexuelle Nähe in irgendeiner Art und Weise mit dir erleben“ ist etwas anderes als ein Ultimatum.
Ich habe keinen Rat, wie man dieses gesamte Dilemma möglichst frei von Streit und Missgunst löst, aber ich weiß, dass es immer wieder essenziell ist sich ins Gedächtnis zu rufen, wie wichtig einem das Gegenüber ist. Solange irgendwo in den Menschen noch Liebe, Freundschaft und Hoffnung ist, gibt es auch einen Weg in eine bessere Zeit.

Momentan versuche ich diesen Zustand der harmonischen Beziehung, die auch mal ihre nötigen Ecken hat, wieder herzustellen. Die Hoffnung auf eine baldige Besserung des Ist-Zustands versuche ich dabei übrigens nicht zu einem Dogma werden zu lassen. Denn Liebe lässt sich nicht in Form biegen und brechen.
Vielleicht konnte ich dir eine neue Sichtweise geben oder dich zum Nachdenken anregen, falls auch du mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hast. Ich versuche nun meinerseits etwas mehr Rücksicht zu nehmen und dort Kraft zu spenden wo ich es kann!
Ein weiterer schöner Beitrag über achtsame Beziehungsführung gibt es auch von 7mind:
Klick!
Dir gefällt was ich tue und du möchtest mir helfen meinen Traum zu verwirklichen?
Hol dir den Newsletter ins E-Mail-Postfach und verpasse keinen Beitrag mehr!
Oder findet <hier> mehr von mir und meinen Kanälen!